Alternative Betrachtungsweisen gefährden die Einseitigkeit! (19)

Alternative Betrachtungsweisen gefährden die Einseitigkeit! (19)

Naturheilpraxis Kuester Naturheilkunde

10.11.21 Heute: Homotoxikologie Teil 3

In Teil 2 der Homotoxikologie haben wir bereits erfahren, was für ein Alleskönner die Extrazelluläre Matrix (EZM) und zu was sie alles befähigt ist. Dazu die nun folgenden Ausführungen zum weiteren Verständnis der Homotoxikologie und ihrer Wirkweise.


Fortsetzung der EZM als Alleskönner

Weitere Untersuchungen haben Verbindungen zwischen der EZM und dem Zellkern demonstriert, die dabei helfen, die Genexpression und somit auch den Zellphänotyp und die Gewebestruktur zu diktieren.


Das Prinzip der Reziprozität – der Gegenseitigkeit

Die Erkenntnisse über die dynamische Reziprozität (Prinzip der Gegenseitigkeit) haben sich nun bis zu einem Punkt entwickelt, an dem Störungen in den Netzwerken, die diese Prozesse steuern, als verantwortlich für das Fortschreiten einer Erkrankung be­trachtet und daher auch mit Folgeprozessen der Gewebeentwicklung, reparativen und regenerativen Prozessen sowie humaner Pathogenese einschließlich Wundheilung und Krebs in Zusammenhang gebracht werden. 

Mehrere Netzwerke sind an der Reaktion auf das Mikroumfeld beteiligt, angefangen beim Genom (DNA) über das Transkriptom (RNA) und das Epigenom (Dompteur der Gene) bis hin zum Glykom (Glukosemetabolismus einschließlich Glykosylierung). Die Rolle der Epigenetik (Mechanismen vererbbarer Chromosomen; Veränderungen, die nicht auf Modifikation der DNA-Abfolge beruhen) und Glykosylie­rung ist in den letzten Jahren besonders in den Brennpunkt des Interesses gerückt. Vor kurzem konnte gezeigt werden, dass Veränderungen im Mikroumfeld (und zwar Hypoxie = Sauerstoffmangel)) Glykosylierungsmuster beeinflussen und somit auch zelluläre Funktionen, was die enge Verbindung zwischen vorübergehenden Veränderungen im Mikroumfeld der Zelle und deren Funktion zusätzlich bestätigt. 

Daher fällt die Reaktion auf Veränderungen im Mikroumfeld äußerst komplex und dynamisch aus, da sich die Zelle kontinuierlich an den Zustand des Mikroumfeldes anpasst. Dies an sich stellt ein Problem für eine lineare Therapiedar, wie im reduktionistischen Modell zu sehen ist. 

Das Mikroumfeld der Zellen steht zudem in enger Verbindung mit dem Makroumfeld (d.h. dem globalen Autoregulationssystem) und reagiert empfindlich auf Veränderungen in demselben. Über die EZM ist die Zelle beispielsweise mit Nervenenden und Blut­gefäßen verbunden und über die parakrine Sekretion (Sekretion von Zellen, bei denen z.B. Hormone direkt auf umgebende Zellen wirken) mit dem globalen Autoregulationsnetzwerk und umgekehrt. Daher besteht auch eine dynamische Reziprozität zwischen dem globalen Autoregulationsnetzwerk und dem Mikroumfeld der Zelle. 

Nervenenden des vegetativen Nervensystems sind in die Matrix eingebettet, und Hormone wie z.B. Schilddrüsenhormone, Östrogen und Cortisol wirken stark auf das Bindegewebe ein. 

Das Immunsystem spielt über das Zytokinnetzwerk eine zentrale Rolle im Mikroumfeld, und zwar stellen das EZM-Gerüst und einige der von ihm freigesetzten Moleküle eine Basis für eine der wichtigsten Voraussetzungen eines funktionierenden Immunsys­tems dar (nämlich die Zellmigration z.B. von Neutrophilen und Makrophagen). In ähnlicher Weise spielen Metalloproteinasen, die von Neutrophilen synthetisiert und freigesetzt werden, eine wichtige Rolle beim Gewebeumbau, so auch bei pathologischen Gewebeveränderungen bei bestimmten Erkrankungen wie etwa bei Bronchiolitis und Emphysem, was die enge Wechselbe­ziehung zwischen dem Immunsystem und der EZM zusätzlich verdeutlicht.


Die 6 Phasen und die Einteilung in einer Tabelle

Die Sechs-Phasen-Tabelle ist eines der wichtigsten Hilfsmittel in der Homotoxikologie. Sie erleichtert die Beurteilung des Regula­tionszustandes eines Patienten und dient als Leitfaden für die Therapie sowie zur Therapieüberwachung und Prognosestellung.

Die Krankheit an sich ist der Ausdruck dessen, dass der Organismus es nicht schafft, die Homöodynamik aufrechtzuerhalten, wenn er von den oben erwähnten Stressoren gefordert wird. Daher bekommt der Arzt oder Heilpraktiker durch Betrachten der Position der Erkrankung des Patienten gemäß konventioneller Diagnose einen Eindruck davon, wie robust oder aber wie schwach die regulatorischen Fähigkeiten des Patienten sind. 

Dies drückt sich auch deutlich im sogenannten biologischen Schnitt aus, einem Punkt in der Tabelle zwischen den Phasen der Deposition und der Imprägnation, an dem man einen Übergang zwischen Regulation und Kompensation annimmt. 

In den Kompensationsphasen sehen wir daher Gewebeveränderungen von abnormalem Gewebeumbau der Bronchien bei chro­nischem Asthma über Knorpeldegeneration bei Arthrose bis zu proliferativem Wachstum bei der neoplastischen Erkrankung. 

Zahlreiche moderne Erkrankungen folgen deutlich sichtbar diesem Muster, besonders gut ist dies bei der Lebererkran­kung zu erkennen.

Wenn die aktuell vorliegende Erkrankung eines Patienten sich auf der linken Seite dieses biologischen Schnitts (rote Linie) befindet, so kön­nen die autoregulatorischen Mechanismen unterstützt werden, Abfallprodukte können entfernt und ausgeleitet werden und der normale Zyklus der Entzündung kann durch Immunmodulation unterstützt werden. Liegt die Erkrankung auf der rechten Seite dieses Schnitts, ist ein umfassenderer Ansatz erforderlich, bei dem die Detoxifikation und Ausleitung sowie die Immunmodulation durch eine Unterstützung von Zellen, Geweben und Organen ergänzt wird. All dies zusammen bildet die sogenannten drei Säulen der Therapie in der Homotoxikologie, die weiter unten ausführlicher beschrieben werden. 

Genau betrachtet – wie auch schon von Reckeweg beschrieben – versucht der Körper stets, aus der „Warteschleife“ auszubre­chen, indem er eine akute Entzündung aufbaut und so versucht, sich in Richtung Homöodynamik und somit in Richtung Gesund­heitsentwicklung zu regulieren. 

Solche Versuche werden als autoregulatorische Phänomene erkannt und sollten, wenn sie nicht übermächtig oder lebensbedroh­lich werden, begrüßt und unterstützt und nicht unterdrückt werden. Befindet sich der Krankheitsprozess auf der rechten Seite des biologischen Schnitts, wird der akute Entzündungsprozess durch die bioregulatorische Behandlung ausgelöst. 

Diese individuelle Reaktion auf die Therapie und den Krankheitsverlauf sowie die Anpassung der Therapie an den bioregulatori­schen Zustand des Patienten macht die Homotoxikologie nicht nur zu einem Bereich der Systemmedizin, sondern auch zu einem individualisierten Therapieansatz.


Das Vikariationsprinzip

Durch die Einführung des Vikariationsprinzips in die antihomotoxische Therapie hat Reckeweg auf die Dynamik jedes Krankheits-bzw. Gesundungsprozesses aufmerksam gemacht. Die Wechselbeziehungen, die zwischen einem Biosystem und den schädi­genden Homotoxinen bestehen, ändern sich während einer Erkrankung und beim Gesundungsprozess ständig. Die zielgerichte­ten selbstregulatorischen Kräfte des Organismus bleiben in der Regel bei Erkrankungen bis einschließlich der 3. Phase der Sechs-Phasen-Tabelle der Homotoxikosen noch erhalten. Dagegen sind nach Überschreitung des biologischen Schnitts ab Phase 4 die Selbstregulation und eine Heilung aus eigener Kraft für den Organismus praktisch nicht mehr möglich. In diesem Fall muss deshalb therapeutisch-medizinisch eingegriffen werden, um doch noch eine Gesundung zu erzielen. 

Da die Rückführung einer Krankheit nach einer regressiven Vikariation meist in die Phasen 3 oder 2 einmündet, treten nach der Rückführung zellulärer Erkrankungen rechts des biologischen Schnitts häufig Entzündungsphasen auf. Dadurch wird in der Regel auch ein Wechsel des antihomotoxischen Therapeutikums erforderlich, da in der Phase 2 das symptomatisch angezeigte Akut­mittel das Passende ist.

In den Phasen 2 und 3 ist die Selbstregelungskapazität des Organismus – wie bereits beschrieben – noch vorhanden, sodass es lediglich stimulativer Arzneireize bedarf, um insbesondere in der Matrix Entzündungsmechanismen in Gang zu setzen und in kontrollierter Weise ablaufen zu lassen. Dabei tritt meist die Ausleitung der Krankheit über die Haut oder die Schleimhäute auf. Vermehrtes Schwitzen, Auswurf, kräftige Harnbildung, leichte Diarrhö und Fieber sind begrüßenswerte Anzeichen einer Verschie­bung aus den zellulären Krankheitsphasen 4 bis 6 und Zeichen einer regressiven Vikariation und Besserung des Grundleidens. 


Hämodynamik und Autoregulation

Der Begriff der Homöodynamik (früher als Homöostase bezeichnet) beschreibt die Fähigkeit des Körpers, ein konstantes internes Milieu aufrechtzuerhalten, indem kleine interne Anpassungen vorgenommen werden, um große externe Störungen zu kompensie­ren. Autoregulation ist „der Prozess, der stattfindet, wenn ein Mechanismus innerhalb eines biologischen Systems Verände­rungen wahrnimmt und diese innerhalb des Systems kompensiert.“ 

In der Homotoxikologie wird das globale Autoregulationssystem als das übergeordnete System betrachtet, das die Homöodyna­mik reguliert. Reckeweg beschrieb dies als das sogenannte System der großen Abwehr, doch zeigen neue Forschungsergebnis­se, dass dieses System umfangreicher ist als das, was in Reckewegs Originalschriften gezeigt wird. 

Die körpereigene zelluläre Abwehr enthält eine unspezifische Komponente (zusammengefasst als das retikuloendotheliale System [RES] bezeichnet; Makrophagen, neutrophile Granulozyten, kapilläre Endothelzellen mit der Eigenschaft von Makrophagen, z.B. in Leber, Knochenmark, Milz) und eine spezifische (T- und B-Lymphozyten) Komponente. Eine allgemeine Barrierefunktion gegen­über einer Vielzahl antigener Substanzen üben Epithelien und Gefäßendothelien aus. Das Gleiche gilt für die Molekularsiebfunkti­on der extrazellulären Matrix. 

In der Homotoxikologie betrachtet man Symptome und Anzeichen einer Krankheit als Ausdruck der Aktivierung dieses Systems. Aus diesem Grund wird eine bloße Unterdrückung der Symptome nicht gebilligt. Vielmehr zielt die Homotoxikologie darauf ab, das Autoregulationssystem mit aus mehreren Komponenten bestehenden Medikamenten zu unterstützen, sodass es die Homöodynamik wie von der Natur vorgesehen wiederherstellen kann.


Das globale Regulationssystem in der Homotoxikologie umfasst folgende Elemente:

1 Immunsystem

2 Neuroendokrines System

3 Schleimhautflächen mit Beteiligung der Epithelzellen selbst

4 EZM

5 Zellatmung und antioxidatives System

6 Ausscheidungsorgane

Obgleich diese Systeme oft als separate Einheiten betrachtet werden, sind sie in Wirklichkeit eng miteinander verbunden. Viele haben gemeinsame Mediatoren und Rezeptoren, und ihre Interaktion wird oft als „Cross Talk“ beschrieben. 

Der Cross Talk zwischen dem Immunsystem, dem endokrinen System und dem Nervensystem bildet die Grundlage für die Wissenschaft der Psycho-Neuro-Immunologie (beschrieben von Ader, 1975), doch gibt es ganz offensichtlich einen sehr akti­ven Cross Talk zwischen vielerlei adaptiven Systemen. In der Sprache von heute nennt man diese voneinander abhängigen Bah­nen von Signalmolekülen (gelegentlich als Botenmoleküle bezeichnet), Funktions- und Strukturproteinen sowie Kohlenhydraten, autoregulatorische Netzwerke. 

Daher kann die Homotoxikologie als früher Ansatz der Systemmedizin betrachtet werden, da diese Systeme miteinander in Ver­bindung stehen und in Form eines Multi-Target-Ansatzes unterstützt und behandelt werden müssen. 

Manche Autoren bezeichnen die Systemmedizin auch als Network Medicine und folgern somit, dass eine Krankheit nicht die Anomalie eines einzigen Rezeptors oder Enzyms ist, sondern vielmehr ein Bruch innerhalb dieser Autoregulationssysteme. Wei­terhin kommt man mehr und mehr zu der Auffassung, dass eine krankheitsbedingte Störung eines oder mehrerer dieser Netzwer­ke bei ganz unterschiedlichen Erkrankungen häufig auftritt, zwischen denen zunächst kein Zusammenhang zu bestehen scheint.

An dieser Stelle möchte ich die Informationen über das Prinzip der Homotoxikologie beenden, da alles Weitere zu fachlich wird und den Therapeuten vorbehalten sein soll. Ich freue mich, dass Sie mir bis hierher gefolgt sind, war es doch an so mancher stelle nicht so einfach. Der Fa. Heel danke ich für die Überlassung vieler Textpassagen. Besser kann man das Prinzip der Homotoxikologie, auch für Laien verständlich, kaum schreiben.

Tja und wir sehen auch hier die vielen, wissenschaftlich sehr gut belegten Ansätze der Naturheilkunde und es bietet wieder mal allen Spekulationen den nötigen Platz, warum eine so fundierte, besten erforschte, sanfte Form der Medizin, den Einzug in den medizinischen Alltag aller Praxen nicht schafft.

Freuen sie sich auf den nächsten Artikel. Dieser wird sich mit dem Thema Fasten beschäftigen, was zur Homotoxikologie bestens passt.


Quellen:

  • Homotoxikologie, Grundlagen für die therapeutische Praxis, Fa. Heel
  • Homotoxikologie, Ganzheitsschau einer Synthese der Medizin, Dr.med. Hans-Heinrich Reckeweg, Aurelia Verlag, Baden Baden

Gerhard Küster, HP

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